Was die Schweiz von Dänemark lernen kann
Bei Digital Health zählt das Gesundheitssystem in Dänemark zu einem der fortschrittlichsten der Welt: Das elektronische Patientendossier wird landesweit eingesetzt, Patient:innen haben jederzeit Zugriff auf ihre Daten und das E-Rezept wird flächendeckend angeboten. Ein Modell für die Schweiz?
Was können wir hierzulande von Dänemark in puncto Digitalisierung des Gesundheitswesens lernen? Mit dieser Frage im Kopf ging es nach Kopenhagen, um bei der Danish Health Data Authority die Akteure hinter den Kulissen zu treffen. Denn die dänische Behörde für Gesundheitsdaten gewährleistet die digitale Kohärenz im Gesundheitswesen. Zu ihren Aufgaben gehören die Entwicklung und der Betrieb der nationalen Gesundheitsregister, die Definition und Pflege von Standards für die IT im Gesundheitswesen sowie die Entwicklung von digitalen Gesundheitslösungen.
Meine Takeaways:
1. Ein klares Mandat für eine nationale Basisinfrastruktur
Ohne eine gemeinsame Basisinfrastruktur sind die Kommunikation und der sichere Datenaustausch zwischen den verschiedenen Organisationen im Gesundheitswesen eine immense Herausforderung. In Dänemark ist die Regierung mit öffentlicher Finanzierung für die Bereitstellung dieser Basisinfrastruktur verantwortlich. Darunter fallen nicht nur das elektronische Patientendossier, sondern auch weitere Angebote wie die gemeinsame Medikationsakte. Dank einheitlicher IT-Standards konnten Praxis- und Klinikinformationssystemen konsolidiert werden. Das Ergebnis: In ganz Dänemark sind heute in der hausärztlichen Versorgung nur noch eine Handvoll Praxisinformationssysteme im Einsatz – in der Schweiz gibt es über 60 Anbieter von Praxisinformationssystemen für den ambulanten Bereich.
Dies wiederum vereinfachte den Weg für den organisationsübergreifenden strukturierten und digitalen Datenaustausch. Das Beispiel Dänemark zeigt die Durchschlagskraft einer national zur Verfügung gestellten Basisinfrastruktur. Auch wenn die politischen Rahmenbedingungen hierzulande abweichen – würde die Schweiz nicht auch von einer vergleichbaren zentralen Basisinfrastruktur auf nationaler Ebene profitieren?
2. Shared Medication Record: organisationsübergreifendes Medikationsmanagement
Wenn wir bei Compassana mit Gesundheitsfachpersonen über digitale Lösungen im Schweizer Gesundheitswesen sprechen, kommt sehr rasch das Thema Medikationsmanagement auf: Wie stellen wir möglichst einfach sicher, dass wir beim Spitaleintritt die aktuellste Medikationsliste der Patient:innen haben? Und wäre es möglich, diese Medikationsliste mit Möglichkeiten zur schnellen und digitalen Erneuerung von Rezepten zu verknüpfen? Dies sind nur zwei der Fragen, die immer wieder diskutiert werden. Zu Recht, denn Medikationsfehler sind häufig und nicht nur für die Patient:innen gefährlich, sondern auch für das Gesundheitssystem kostspielig.
Mit dem Shared Medication Record hat Dänemark diese Probleme gelöst. Die gemeinsame Medikamentenakte bietet Patient:innen und Gesundheitsfachpersonen Zugang zu den Medikationslisten. Gesundheitsfachpersonen können die Medikationsliste aktualisieren, Patient:innen können jederzeit Informationen zu aktuellen oder früheren Rezepten aufrufen – oder gleich Rezepterneuerungen bei ihrem Hausarzt oder ihrer Hausärztin beantragen. Dank der gemeinsamen Medikationsakte bleibt die Medikationsliste der Patient:innen jederzeit und über die verschiedenen Versorgungssektoren aktuell. Eine leistungsstarke Lösung, mit der Dänemark Falschmedikation vermeidet und den administrativen Aufwand für die Gesundheitsfachpersonen reduziert.
3. Von Daten zu Insights: nur mit dem Vertrauen der Bevölkerung
Beim Besuch eines Spitals in der Region Kopenhagen hat mich die sehr gute Datenbasis überrascht. Gemessen und ausgewiesen werden zum Beispiel Indikatoren wie Wartezeiten für gewisse Eingriffe – über Zeit und im Vergleich mit anderen Spitälern. Die Dashboards und Erkenntnisse werden genutzt, um gezielt prozessuale Verbesserungen zu identifizieren und zu implementieren. Dänemark hat eine langjährige Geschichte mit der Sammlung von Daten im Gesundheitswesen. Bereits in den 1960er Jahren wurden Daten zu biologischen Proben gesammelt. Einen Fokus legt das Land aktuell auf die Sekundärnutzung von Gesundheitsdaten für Planungs- und Forschungszwecke.
Voraussetzung für diese gute Datenbasis ist nicht nur die technische Infrastruktur, sondern auch das hohe Vertrauen der Däninnen und Dänen in die Regierung und ihre digitalen Angebote. Diese Erkenntnis gilt auch für Schweizer Gesundheitslösungen: Der Datenschutz spielt eine strategische Rolle – weit über die reine Erfüllung der rechtlichen Anforderungen hinaus. Um das Vertrauen der Bevölkerung zu gewinnen und zu erhalten, werden Schweizer Gesundheitslösungen immer wieder nachweisen und aufzeigen müssen, dass sie die strengen Standards in Bezug auf Datenschutz einhalten können. Daher ist dieses Thema auch bei Compassana zentral.
Mein Fazit
Die politischen Rahmenbedingungen sind in Dänemark anders als in der Schweiz. Trotzdem sollten wir von Dänemark lernen: Beim Aufbau der Basisinfrastruktur, den digitalen Lösungen für das Medikationsmanagement und bei der Nutzung von Daten zur Weiterentwicklung des Gesamtsystems lassen sich Erkenntnisse ableiten, die die Schweiz auf ihrem eigenen Digitalisierungsweg unterstützen. Mein Besuch machte eins deutlich: Die Schweiz hat noch viel Potenzial.