Mehr Digitalisierung im Gesundheitswesen wagen – Takeaways aus dem ZHAW Digital Health Report 2023/2024

Auch die vierte Ausgabe des Standardwerks bietet viele Insights. Hier die drei wichtigsten aus meiner Sicht.

Julia Biller

07. November 2023

Frau mit Headphones bei Konsultation
Telemedizin entwickelt sich zur effizienten Art der Versorgung mit standortunabhängiger Diagnostik und Begleitung. (Symbolbild: Freepik)

1. Digitalisierung im Gesundheitswesen ist keine optionale Angelegenheit
Die Vorteile der Digitalisierung im Gesundheitswesen sind bekannt, etwa Eigenanamnese mittels Smartphone-App, Videokonsultation mit der Hausärztin, Ausstellung von eRezepten und Onlinebestellung sowie Heimlieferung von Medikamenten. An einer fiktiven Patientenreise zeigen die Autor:innen auf, wie mit dem gezielten Einsatz digitaler Lösungen die Gesundheitsversorgung für Patient:innen effizienter, sicherer und qualitativ hochwertiger gestaltet werden kann. Auch für Gesundheitsfachpersonen besteht grosses Potenzial, u.a. den administrativen Aufwand zu reduzieren. Dies entlastet und schafft mehr Zeit für Patient:innen und Medizin.

So weit, so gut – doch die Autor:innen gehen noch einen Schritt weiter: Die Digitalisierung im Gesundheitswesen ist nicht nur eine optionale Angelegenheit, sondern ein absolutes Muss, wenn die Gesellschaft auch in Zukunft von einer qualitativ hochwertigen und bezahlbaren Gesundheitsversorgung profitieren will. Im Kontext einer alternden Gesellschaft, der Zunahme chronischer Erkrankungen, dem sich verschärfenden Fachkräftemangel und eines wachsenden Kostendrucks bildet die Digitalisierung einen zentralen Baustein eines zukunftsfähigen Systems. Eine wichtige Botschaft, denn ein Festhalten am Status Quo ist teuer und die Schweiz hat viel zu verlieren, sollte der digitale Wandel scheitern.

2. Telemedizin mit wachsender Bedeutung
Einer dieser Bereiche, in dem sich ein grosses Potenzial von Technologie zeigt, ist die Telemedizin. Bei einer Befragung von Expert:innen des Netzwerks Gesundheitsökonomie Winterthur (NGW) und des ZHAW Digital Health Labs schätzen 75% der Befragten, die Wahrscheinlichkeit, dass in fünf Jahren 30% der ambulanten Mediziner:innen in der Schweiz mindestens einmal in der Woche telemedizinische Dienste nutzen würde, auf 60% oder höher. 

Dies deckt sich mit den Beobachtungen, die wir bei Compassana im Austausch mit Leistungserbringern und Patient:innen machen. Obwohl Telemedizin in der Schweiz schon länger existiert, haben die Entwicklungen der Pandemiejahre zu einer erhöhten Akzeptanz standortunabhängiger medizinischer Leistungen geführt. Die Rolle der Telemedizin entwickelt sich dabei weg von der Regelung des Zugangs zum Gesundheitswesen (Fokus auf Triage und Demand Management) hin zur Telemedizin als effiziente Art der Versorgung mit standortunabhängiger Diagnostik, Begleitung und Coaching. Patient:innen suchen zunehmend eine 24/7-Betreuung durch medizinisches Fachpersonal und sind bereit, auch telemedizinische Angebote zu nutzen. Die Herausforderung in der Telemedizin ist heute noch, dass die Daten der Patient:innen oft nicht vorhanden sind. In einem nächsten Schritt wird es zentral sein, die Telemedizin mit Daten der Patient:innen und aus der Grundversorgung zu befähigen, um sie somit nahtlos in den Versorgungsprozess einbinden zu können. 

3. Der Mehrwert der Digitalisierung muss erlebbar sein
Als Teil ihres Neun-Punkte-Plans für die Transformation halten die Autor:innen fest, dass der Mehrwert der Digitalisierung für die Gesundheitsfachpersonen erlebbar sein muss. Denn wenn Menschen verstehen, „warum der Wandel sinnvoll oder gar notwendig ist, erhalten sie Lust auf Veränderung“.

Dies sehe ich auch im Rahmen meiner Arbeit bei Compassana immer wieder. Die direkte und mehrwertstiftende Erfahrung und Interaktion mit digitalen Anwendungen schafft Vertrauen in die digitale Transformation und fördert die Akzeptanz neuer Technologien. Eine wichtige Basis für eine erfolgreiche Umsetzung. Neben den von den Autor:innen erwähnten Pilotprojekten und Leuchtturminitiativen gibt es noch weitere Ansätze, um Zielgruppen auf dem Transformationsweg mitzunehmen. Dank agiler Methoden kann ein Produkt in kurzen Iterationen entwickelt werden, was kontinuierliches Feedback der Zielgruppen ermöglicht. Prototyping ermöglicht es Entwickler:innen und Designer:innen, schnell Ideen zu visualisieren Benutzer:innen können dadurch die Funktionalität eines Produkts erleben, bevor es vollständig entwickelt ist. Nicht zuletzt kann Design Thinking dazu beitragen, dass die Bedürfnisse und Perspektiven der Zielgruppen früh in der Produktentwicklung mitberücksichtigt werden. Unabhängig von der gewählten Methode: Wenn Gesundheitsfachpersonen und Patient:innen Teil der Reise sind, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass digitale Produkte und Lösungen akzeptiert werden und einen tatsächlichen Mehrwert bieten.

Fazit
Der ZHAW Digital Health Report 2023/2024 zeigt überzeugend auf, warum und wie wir alle von einer verstärkten Digitalisierung im Gesundheitswesen profitieren. Wie in anderen Branchen ist die Digitalisierung im Gesundheitswesen eine unaufhaltsame Entwicklung. Wir haben jetzt die Chance, diese Entwicklung aktiv mitzugestalten.